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Rede Neujahrsempfang 2005
Neujahrsempfang der Preßischen Gesellschaft

 

Neujahrsempfang der Preußischen Gesellschaft

 

am Sonntag 16. Januar 2005

 

 

 

 

Ansprache von Volker Tschapke

Präsident der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg e. V.

 

 

 

Königliche Hoheiten, Exzellenzen, Eminenzen, sehr geehrte Vertreter des Diplomatischen Korps, der Stadt Berlin, des Landes Brandenburg sowie der Kirchen und Religionsgemeinschaften, verehrte Angehörige der Bundeswehr, liebe Mitglieder, Freunde und Sympathisanten der Preußischen Gesellschaft Berlin-Brandenburg, meine sehr verehrten Damen und Herren !

 

herzlich danke ich Ihnen, daß Sie Preußen als bleibender Idee und der Preußischen Gesellschaft die Ehre Ihrer Teilnahme an unserem traditionellen Neujahrsempfang geben. Wir begegnen einander - ebenfalls traditionell - im HILTON am Gendarmenmarkt, dem schönsten preußische Bauensemble weltweit. Gestatten Sie mir als Entree eine persönliche Bemerkung: Ihnen allen, Ihren Familien und Mitarbeitern wünsche ich ein segensreiches neues Jahr, in dem Gesundheit, Glück und Geschäftserfolg dominieren mögen. Für unser Land wünsche ich mir, daß es endlich mehr an preußischem Gedankengut partizipiert. Ohne Leitgedanken, ohne christlich-humanistische Wertmaßstäbe wird unser Land auf die Dauer nicht bestehen können.

 

Mir scheint, daß die langsam anhebende Debatte über Patriotismus im Zeitalter der Globalisierung der erste, langerhoffte Schritt zur Selbstbesinnung ist. Ich bin stolz und verwegen genug, eben ein Preuße, eine Urheberschaft dafür im unermüdlichen öffentlichen Wirken der Preußischen Gesellschaft zu erkennen. Wir waren nicht gestrig, wie uns manche belächelten, als wir vom Vaterland sprachen, dem zu dienen eine Ehre sein solle. Nein, wir waren nicht gestrig - wir waren morgig.

 

Bevor ich mich weiter dem preußischen Gedankenreichtum widme und ihm folge, möchte ich Ihre geschätzte Aufmerksamkeit in christlichem Mitgefühl auf die vielen, vielen Opfer der furchtbaren Flutkatastrophe im asiatischen Raum richten. Sicher haben Sie wie ich gefühlt, wie nah uns plötzlich der ferne Nächste war. Der in dem tobendem, wütendem Wasser am zweiten Weihnachtstag sein Leben verlor oder seine Habseligkeiten. Drängte den Christen unter uns nicht der Vergleich mit der Sintflut auf? Dachten wir nicht an das erste Buch Mose, in dem geschrieben steht:

 

Als aber der Herr sah, daß der Menschen Bosheit groß war auf Erden und dass ihre Gedanken allzeit nur auf das Böse gerichtet waren, da bedauerte der Herr, daß er die Menschen auf der Erde gemacht hatte, und es schmerzte ihn in seinem Herzen. Er sprach: "Ich werde die Menschen, die ich erschaffen habe, von der Oberfläche des Erdbodens wegwischen, vom Menschen bis zum Haustier, bis zu dem sich regenden Tier und bis zu dem fliegenden Geschöpf der Himmel, denn ich bedauere in der Tat, daß ich sie gemacht habe." Wie wir wissen, fanden nur Noah, seine Familie und das Getier, das Noah mit auf seine Arche nehmen konnte, Gnade vor dem Herrn. Alles andere Irdische verschlang die Sündenflut.

 

Für mich ist die urgewaltige Flut in Asien ein Menetekel. Eine Warnung an alle Menschen innezuhalten mit dem Bösen, das überall wuchert: im persönlichen, im Geschäfts- und im zwischenstaatlichen Bereich. Den bitteren Kelch des Menetekels für alle haben ferne Brüder und Schwestern leeren müssen. Lassen Sie uns in einer Minute des Gedenkens oder des stillen Gebetes diese Opfer würdigen und über die uns zuteil gewordene Warnung nachdenken.

 

 

Ich danke Ihnen für die Bekundung Ihres Mitgefühls und Ihrer Solidarität mit den Opfern und deren Angehörigen.

 

Dennoch möchte ich mir einige kritische Anmerkungen nicht versagen. Nach eigener Aussage hatten Seismologen der USA das schwere Beben registriert und die Entstehung einer Flutwelle befürchtet. Bis zu deren Eintreffen an den Küsten vergingen teilweise mehr als zwei Stunden, so daß die Menschen an Küsten hätten informiert werden können. Das sei unterblieben, weil keine Möglichkeit bestanden habe, die Information zu übermitteln. Wirklich nicht? Sonst sind die Vereinigten Staaten doch in der Lage, ihre politischen Botschaften binnen weniger Minuten in jeden Winkel der Erde zu schicken.

 

Milliarden zusammengetragener oder versprochener Euro werden derzeit genannt, die den Flutopfern und deren Angehörigen in ihrer Not helfen sollen. Wie edel. Aber wäre es nicht besser gewesen, im Indischen Ozean ein Frühwarnsystem aufzubauen, wie es in anderen Teilen der Welt längst besteht? Die Kosten dafür hätten nach Expertenschätzungen nur zwischen 15 und 30 Millionen Euro betragen. Wieder mußte das Kind erst in den Brunnen fallen, ehe reagiert wird.

 

Mir mißfällt, daß die Katastrophe apokalyptischen Ausmaßes zur Selbstdarstellung deutscher Politiker und für Parteiengezänk im Vorfeld der Bundestagswahlen 2006 mißbraucht wurde. Bei all dem täglichen Regierungsgerede von „kein Geld und leere Kassen“ verwundert nicht nur mich, daß der deutsche Kanzler eine halbe Milliarde Euro für die Flutopfer aus dem Hut zaubern und seinen Adlatus Eichel sagen lassen kann: „Diese Aufgabe können wir leicht schultern.“ Wenn das so einfach ist, warum dann die herben sozialen Einschnitte? Kanzler und Schuldenmeister hantieren mit Steuergeldern, als handle es sich um Moneten aus der eigenen Tasche.

 

Nicht zuletzt wirkten sowohl der eitle Katastrophen-Tourismus eines deutschen Spitzenpolitikers als auch die Hofberichterstattung darüber abstoßend. Wer mitteilen läßt, daß er in der Fremde für die Flutopfer die Hände faltet, trägt sein Christentum als Wahlplakat vor sich her.

 

Doch zurück zum eigentlichen Anlaß unserer heutigen Begegnung: der Einstieg Preußens in die europäische und Weltgeschichte am 18. Januar 1701. Als sich brandenburgische Kurfürst Friedrich III. selbst zum König in Preußen krönte, dachte kaum jemand, daß der weitere Aufstieg dieses neuen Staates zu einer Erfolgsgeschichte ohne gleichen werden würde. Ohne Zweifel kulminierte er in der Regierungszeit von Friedrich dem Großen, dem bedeutenden Staatsmann und dem Philosophen von Sanssouci. Ihm verdanken wir bis heute wesentliche Impulse in der Staatskunst im weitesten Sinne.

 

Nach preußischem Vorbild sollten in Deutschland Verantwortung, Pflichtbewußtsein und Toleranz ihren hohen Stellenwert als moralische Kategorien zurückerhalten, Sparsamkeit und Genügsamkeit als erstrebenswertes Tugenden gelten, Gemeinnutz vor Eigennutz gehen. Kants kategorischer Imperativ darf nicht in die Reihe der Hausmärchen eingegliedert werden, sondern muß Leitlinie eines jeden im Lande werden. Der Staat hat als Dienstleister des Volkes das Land korrekt, unbestechlich und objektiv, also frei von parteipolitischen Einflüssen zu verwalten. Die Pflege der deutschen Kultur, inbegriffen die Sprache Goethes und Schillers, stellt sich ebenso als Aufgabe wie das Bemühen, die Medienfreiheit nicht ausschließlich als Freiraum für das Befriedigen niedriger Instinkte deuten zu lassen. Ich weiß nicht, worin der Charme von Illustrierten-Abbildungen besteht, auf denen von Hunden zerfleischte Menschen, pinkelnde Honoratioren oder koitierende Paare zu sehen sind. Ich kann mich mit Bühnen nicht anfreunden, auf denen ausschließlich gesoffen, gehurt, gespuckt, gehackstückt und gebrüllt wird.

 

Ein Wort zur Wirtschaft unseres Landes. Auch sie sollte sich ihrer großen Verantwortung gegenüber dem Vaterland bewußt und ihr gerecht werden. Bei aller internationaler Verflechtung stehen die Unternehmen in patriotischen Pflicht zu Deutschland. Oder hat jemand erlebt, daß Wirtschaftsbosse aus den USA als Globalplayer auch nur einen einzigen Zentimeter ihrer nationalen Würde preisgegeben hätten? Läßt sich nicht gleiches von unserem westlichen Nachbarland sagen?

 

Wollen wir das philosophische Wort von Friedrich dem Großen

 

„Die Ehre geht über den Vorteil...“

 

auch in den Märchen-Bücherschrank versenken?

 

Mir imponiert ein Wirtschafts-Großer unseres Landes: Arend Oetker, Chef der Oetker-Holding, erklärte jüngst öffentlich:

 

„Ich bin und bleibe Deutscher...Ich engagiere mich für Deutschland

 und besonders auch für die neuen Bundesländer von Berlin aus.

Ich zahle in Deutschland meine Steuern und werde das bis ans Lebensende tun.“

 

Dieses Bekenntnis hat - so denke ich - unsere Zustimmung und unseren Beifall verdient.

 

Denke ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht. Oft kreisen meine Gedanken um das berechtigte Mißtrauens Friedrich des Großen gegenüber der staatlichen Administration. Gilt, was er von den Ministern sagte, nicht über ihren Kreis hinaus?

 

„Ein Minister hat, sobald seine eigenen Interessen in Frage kommen,

stets Nebenabsichten. Er besetzt alle Stellen mit seinen Kreaturen,

statt verdienstvolle Leute zu befördern, und sucht sich durch die große Zahl derer,

die er an sein Schicksal kettet, auf seinen Posten zu befestigen.

 

Der große Friedrich haderte weiter: Von den Ministern zöge der eine rechts, der andere links, keiner aber arbeite nach einem allgemeinen Plan. Ja, wo sind denn heute die begeisternden Deutschlandpläne derjenigen, die an der Spitze stehen oder derjenigen, die an die Tete wollen?

 

Jeder Minister wirft, was er vorfindet, über den Haufen - und sei es noch so gut - um selbst neues zu schaffen und oft zum Schaden des Ganzen seine Launen auszuführen.

Wer sagte da eben etwas von Windkraft? Von Zwangspfand?

 

Andere Minister, die ihm folgen, werfen wiederum diese Veränderung um ... nur um als Erfinder zu gelten .... daraus entstehen Verwirrung, Unordnung und alle Fehler

einer schlechten Regierung.

Renten rauf, Renten runter; Tarifabschlüsse ja, Tarifabschlüsse nein; Türken rein, Türken raus; Wehrpflicht abgeschafft, Wehrpflicht bleibt. Diese Verwirrung und Unordnung als praktizierte Demokratie auszugeben, ist eigentlich blanker Zynismus.

 

Friedrich der Große weiter:

 

Da die Minister nur danach streben, daß niemand ihr Benehmen untersucht,

so sind sie auch nicht geneigt, ihre Untergebenen mit Strenge zu behandeln.

Welch Ansatzpunkte böten Jahr für Jahr die jeden anständigen Steuerzahler zornig stimmenden Untersuchungsberichte des Bundesrechnungshofes. Was bewirken sie? Die solchermaßen streng Gerüffelten sorgen fleißig dafür, daß der nächste Bericht noch höhere Verschwendungssummen enthält.

 

Fazit von Friedrich:

 

Der Staat gehört den Ministern nicht. Sie haben daher auch nicht dessen wahre

Wohlfahrt im Sinne. Alles geschieht nachlässig und mit stoischer Gleichgültigkeit.

 

Folgendes gebe ich zu Bedenken. Zum einen: Das von Friedrich Kritisierte trifft nicht allein auf die Damen und Herren Minister zu. Die Bürokratie ist weitgefächert. Zum anderen: Administrationen et cetera haben wir nicht nur in Berlin für ganz Deutschland, sondern auch in allen Bundesländern. Die Siegermächte wußten 1945 sehr wohl, daß Bismarck die Kleinstaaterei als Hauptübel für eine gedeihliche Entwicklung Deutschlands erkannte und mit kühner Politik beseitigte. 1945 ward uns die Kleinstaaterei bewußt wiedergegeben und zeitgemäß mit dem schlauen Wörtchen „Föderalismus“ umhüllt. Seitdem hocken über uns 16 teure Ministerialbürokratien.

 

Erste zaghafte Versuche, darüber mal wenigstens nachzudenken, sind kläglich gescheitert. Stoiber und Müntefering kapitulierten. Partikularinteressen dominieren das Allgemeininteresse. Bildung macht jedes Bundesland für sich - selbst wenn Deutschland als ehemaliges Land der Dichter und Denker von der PISA-Studie als Sitzenbleiber deklariert und somit zum Gespött der Völker wird. Der Versuch, wenigstens Berlin und Brandenburg zu einem Klein-Preußen zusammenzufügen, blieb 1996 eine Vorstellung. Geschweige denn die Idee, die fünf neuen Bundesländer zu einem einzigen zusammenzuschweißen. Der Gedanke eines Nordstaates mit Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hamburg und Bremen schließt dummerweise Mecklenburg-Vorpommern nicht mit ein. Das macht aber nichts, weil die Angelegenheit ohnehin nicht ernsthaft befördert wird.

 

Kann das gut gehen? Lassen wir den Präsidenten des Bundesverfassungsgerichtes Hans-Jürgen Papier antworten: Ohne eine Neugliederung des Bundesgebiets und der damit verbundenen Möglichkeit, den Föderalismus zu entflechten, „droht der Staat manövrierunfähig zu werden und seine Reformfähigkeit zu verlieren“. Im heutigen „Verbundföderalismus“ hätten „alle über alles zu entscheiden, alle sind verantwortlich und damit niemand“, kritisierte er.

 

Abenteuerliche Politiker-Ideen lassen einem Preußen wie mir immer mal wieder das Blut in den Adern erstarren. Weg mit der Wehrpflicht höre und lese ich. Das bedeutet für mich die Forcierung der Entfremdung zwischen Bürger und Staat. Brisant erscheint mir, daß des Volkes Kontrolle über den Einsatz der Streitkräfte gemindert werden soll. Es macht schon einen gewaltigen Unterschied, ob Söldner oder Wehrpflichtige „Deutschland auch am Hindukusch“ verteidigen sollen. Bei Söldnern ist das Volk eher geneigt zu sagen: Das ist halt ihr Beruf. Bei Wehrpflichtigen fragen die Anverwandten schon bohrend, wessen Interessen ihre Söhne und Brüder eigentlich am Hindukusch vertreten. Die USA wissen sehr wohl, warum sie nach Afghanistan und Irak Söldner schicken und nicht mehr Wehrpflichtige wie in Vietnam.

 

Erinnert sei, daß die allgemeine Wehrpflicht in Deutschland im Zuge der Freiheitskriege gegen das napoleonische Frankreich entstand. Die preußischen Heeresreformer um Gneisenau, Scharnhorst und Boyen erklärten die Verteidigung des Vaterlands zur sittlichen Pflicht jeden Bürgers, erhoben damit zugleich den Soldatenberuf zu einem für ehrbare Bürger angemessenen Stand. Wohlgemerkt: die Verteidigung des Vaterlandes, was auch im Grundgesetz verankert ist. Nicht aber ein Einsatz am Hindukusch.

 

Was war denn die Folge des Verbots der allgemeinen Wehrpflicht in Deutschland im Versailler Vertrag nach dem Ersten Weltkrieg? Unter anderem eine weitgehende Isolierung der Armee von der bürgerlichen Gesellschaft und eine indifferente Haltung der Streitkräfte gegenüber dem demokratischen System Die Armee fungierte als "Staat im Staate". Sollte das etwa das Ziel der heutigen „Heeresreformer“ sein? Das möchte ich nicht glauben.

 

Abenteuerlich wollen mir auch Bestrebungen erscheinen, die Zweitbezahlung von Abgeordneten zu legalisieren. Allein schon der Gedanke daran, daß eine solche Unselbstverständlichkeit diskutiert wird, läßt einem aufrechten Preußen die Haare sträuben. Kennt er doch das schöne alte Sprichwort

 

„Wes’ Brot ich eß, des’ Lied ich sing.“

 

Zur Lobby-Arbeit der Unternehmen existieren gewiß ganz andere und vollkommen legale Möglichkeiten. Die vom Grundgesetz garantierte Unabhängigkeit der Parlamentarier sollte respektiert und gewahrt werden. Von jedermann - von denen, die zahlen wollen, und von denen, die das Zweitgeld zu nehmen bereit sind.

 

Geradezu abstrus ist die ausgestreute Begründung: Die Abgeordnet wollen mit dem Zweitgeld die Verbindung zur Praxis erhalten. Was wäre, beantragte ich bei Herrn Bundestagspräsidenten Thierse ein Zweitgeld für mich aus der Parlamentskasse, damit ich die Verbindung zum deutschen Parlamentarismus nicht verliere? Zudem befremdet mich, daß Bundestagsabgeordnete vorgeben, Zeit für Nebenjobs zu haben. Ich stelle mir vor, was geschieht, wenn Manager in ihrem Unternehmen erklären, daß sie ihre Arbeitskraft zehn, zwölf Stunden pro Woche anderwärts einsetzen.

 

Zu den deutschen Merkwürdigkeiten gehört die Schwierigkeit, sich mit Deutschland - dem Vaterland, dem Mutterland - zu identifizieren. Bedenkenlos laufen Gefolgstreue den Parolen von Globalisierung und Liberalisierung hinterher und werfen dabei leichtfertig all das als über Bord, was Deutschland ausmacht: Kultur, Historie, Land und Leute. Sollten wir nicht statt dessen die immensen Vorteile von Globalisierung und Liberalisierung nutzen und unsere Eigenständigkeit, unsere Unverwechselbarkeit hegen, pflegen, lieben und der Welt näherbringen?

 

Professor Dr. Jost Bauch von der Universität Konstanz erkannt sehr richtig: „Die Schreckensherrschaft des Nationalsozialismus macht es uns besonders schwer, unverkrampft und sachlich mit der deutschen Geschichte umzugehen und in ihr Bezugspunkte für Patriotismus zu finden.“ Dennoch läßt sich die deutsch-preußische Geschichte nicht auf die elendigen zwölf Jahre von 1933 bis 1945 reduzieren. Ich denke da schon an den biblischen Propheten Ezechiel (Ez 18,20), der verkündete "Der Sohn darf nicht an der Schuld seines Vaters, und der Vater nicht an der Schuld seines Sohnes tragen". Und füge hinzu, was der damalige estnische Staatspräsident Lennart Meri am deutschen Nationalfeiertag 3. Oktober 1995 in seinem Festvortrag in Berlin sagte:

 

„Deutschland ist eine Art Canossa-Republik geworden, eine Republik der Reue... Um glaubwürdig zu sein, muß man auch bereit sein, alle Verbrechen zu verurteilen, überall in der Welt, auch dann, wenn die Opfer Deutsche waren oder sind. Für mich als Este ist es kaum nachzuvollziehen, warum die Deutschen ihre eigene Geschichte so tabuisieren, daß es enorm schwierig ist, über das Unrecht gegen die Deutschen zu publizieren oder zu diskutieren, ohne dabei schief angesehen zu werden - aber nicht etwa von den Esten oder den Finnen, sondern von den Deutschen selbst.“

 

Die deutsche Schriftstellerin Monika Maron spitzte 1999 den Gedankengang zu:

 

„Wir erleben einen antideutschen Rassismus. Alle Länder der Welt erlauben es sich, die Deutschen zu beleidigen, und ich frage mich manchmal, ob wir nicht völlig verrückt sind, daß wir uns nicht zu wehren wagen.“

 

Wehren bedeutet für mich und unsere Gesellschaft, immer und immer wieder hervorzuheben, was das wahre Preußentum bedeutete: Wahres Preußentum läßt sich an Namen wie Friedrich den Großen, an Immanuel Kant, an Patrioten wie Blücher, Gneisenau, Scharnhorst, Clausewitz, von Moltke, Bismarck, Schinkel, Borsig und vielen anderen festmachen. Wahres Preußentum hebt sich ab von mörderischer Kriegslust, füchsisch-falscher Staatspolitik und ein die anderen Völker degradierender Nationalismus. Wahres Preußentum zündete die Bombe in Hitlers Wolfsschanze, wahres Preußentum stand vor Freislers Gericht, wahres Preußentum endete in Plötzensee.

 

Meiner Meinung nach denkt und handelt heute patriotisch, wer wie die Preußen einst die Einzigartigkeit und besondere Leistungsfähigkeit des eigenen Landes, nicht aber dessen Überlegenheit im Vergleich mit anderen Staaten bejaht - wie es Professor Jost Bauch formulierte. Ohne Patriotismus ist ein funktionierendes Gemeinwesen auf die Dauer nicht vorstellbar.

 

Meine Anmerkungen der kritisch-förderlichen Art lassen mich unwillkürlich an eine heimliche preußische Hymne denken, deren Text zwar uns vertraut ist, der aber darüber uns hinaus wieder Verbreitung und Anerkennung finden sollte. Sie ahnen, welche Hymne ich meine:

 

Üb' immer Treu und Redlichkeit

Bis an dein kühles Grab,

Und weiche keinen Finger breit

Von Gottes Wegen ab

 

In dem Zusammenhang möchte ich meiner Empörung darüber Ausdruck geben, daß bislang Unbekannte auf das berühmte Potsdamer Glockenspiel der Garnisonkirche mit eben dieser Melodie einen Anschlag verübt haben. Sie sprühten die Klöppel von 17 der 40 Glocken mit Bauschaum ein und trennten von fünf großen Glocken die Kabel ab. Das Glockenspiel mußte abgestellt werden. Unser Freund Innenminister Jörg Schönbohm sprach als Schirmherr des Wiederaufbaus der Potsdamer Garnisonkirche von einer "Schändung" und von einem "gezielten Anschlag auf Preußens alte Mitte" mit politischem Hintergrund. Wie Sie wissen, war das ursprüngliche Glockenspiel bei einem Bombenangriff am 14. April 1945 zerstört worden. Wir hoffen, daß die alte preußische Hymne bald wieder erklingt.

 

 

Meine Damen und Herren,

 

wir haben am heutigen Tage eines weiteren preußischen Ereignisses zu gedenken. Genau vor 197 Jahren, am 16. Januar 1808, kehrten König Friedrich Wilhelm III. und die reizende Königin Luise nebst Hofstaat und Regierung aus Memel nach Königsberg zurück. Sie waren nach der Niederlage der preußischen Armee bei Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 vor dem sofort weiter nach Berlin marschierenden Napoleon zunächst nach Königsberg und dann nach Memel geflohen.

 

Von Königsberg aus begannen die ersten Schritte zur Erneuerung des Landes, vorangetrieben im wesentlichen von den endlich zum Zuge kommenden Reformern um den Freiherrn vom Stein. So nahmen in Nachfolge des schon im Oktober 1807 publizierten Edikts über die Aufhebung der bäuerlichen Gutsuntertänigkeit eine Heeres- und Verwaltungsreform wie auch die neue Städteordnung von hier ihren Ausgang. Obwohl Napoleons Truppen im Dezember 1808 Berlin verlassen hatten, dauerte es noch mehr als ein Jahr, bis die Residenz wieder von Königsberg in die Hauptstadt verlegt wurde.

 

 

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

 

lassen Sie mich zum Abschluß meiner Ausführungen im Namen des Vorstandes und Beirates der Preußischen Gesellschaft wie in meinem eigenen Namen herzlich danken. Das Dankeschön gilt all jenen Mitgliedern und Preußen-Freunden, die Anteil an der guten Bilanz unseres Wirkens haben. Danken möchte ich zudem jene Damen und Herren, die unsere Zusammenkünfte mit brillanten Vorträgen bereicherten. Sie machten uns klüger, zudem gaben sie urbi et orbi manch gute Anregungen. Ein besonderes Dankeschön gilt unseren Sponsoren. Wer eine Anzeige in unseren Preußischen Nachrichten aufgibt, der macht sich und seine Leistung bei Tausenden Lesern bekannt – und hilft zugleich uns, das Blatt herzustellen. Außerordentlich freut uns, mit der traditionsreichen Pritzwalker Bierbrauerei einen spritzigen Sponsor an unserer Seite zu haben. Sein Preussen Pils wird jetzt auch bei einem bayerischen Preußen-Stammtisch am Tegernsee gezapft. Schließlich gilt mein Dank unserem Stammsitz, dem HILTON am Gendarmenmarkt. Wir wissen uns stets gut bedient und aufmerksam betreut.

 

Ich bin froh, mich in der Preußischen Gesellschaft mit Gleichgesinnten über Gott, Preußen, Deutschland und die Welt austauschen zu können. Über unsere Jungen Preußen geben wir das, was wir an preußischem Ideenreichtum erfahren haben, als kostbares Erbe weiter.

 

Wie gut unsere Arbeit fruchtet, möge eine Umfrage des Rundfunks Berlin-Brandenburg belegen.

 

·      Auf die Frage „Was bedeutet das Thema Preußen heute für Sie? antworteten 59 Prozent, es sei für sie ein historisches Thema und 40 Prozent es sei für für sie ein aktuelles Thema.

 

·      94 Prozent erklärten, für das heutige Deutschland sei es wichtig, etwas über Preußen zu wissen.

 

·      84 Prozent haben positive Assoziationen zu Preußen

 

·      Preußen assoziierten

 

75 Prozent mit Militärstaat

61 Prozent mit modernem Staatswesen

60 Prozent mit Beamtenstaat

55 Prozent mit Aufklärung

54 Prozent mit wirtschaftlichem Aufschwung

44 Prozent mit technischem Fortschritt

 

Na bitte, kann ich da nur sagen: Noch ist Deutschland nicht verloren - es hat ja uns Preußen.

 

Ich danke herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und Ihr Stehvermögen.

 

Pro Gloria und Patria

und

Gott befohlen

 
 
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